Noch nicht das Ende by Natasha Anders

Noch nicht das Ende by Natasha Anders

Autor:Natasha Anders [Anders, Natasha]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-02-17T00:00:00+00:00


Der nächste Monat verging im Eiltempo. Die neue Abmachung zwischen Theresa und Sandro funktionierte erstaunlich gut. Bei den Mahlzeiten benahmen sie sich zivilisiert, manchmal sogar ausgesprochen freundlich, und auch ihre Arzttermine waren dank seiner stillschweigenden Fürsorge weniger anstrengend. Er hielt sich an ihre Vereinbarung, hörte nur zu und mischte sich grundsätzlich nicht ein. Seine bloße Anwesenheit sorgte dafür, dass Theresa sich wohler fühlte.

Was Theresa am meisten überraschte, war die Tatsache, wie sehr sie die von ihm ausgehandelte gemeinsame Zeit genoss. Anders als sie erwartet hatte, hatte er noch nicht ein einziges Mal abgesagt. Stattdessen kam er an den besagten Abenden sogar früher nach Hause. Manchmal saßen sie einfach nur nebeneinander und wechselten kaum ein Wort, während sie sich eine Schüssel Popcorn teilten und einen Film schauten. Manchmal spielten sie Scrabble, was Theresa besonders viel Spaß machte. Es passierte nicht allzu häufig, dass sie etwas besser konnte als Sandro, aber ungläubig hatte er es in diesem Fall anerkennen müssen. Zwar konnte er sich damit herausreden, dass Englisch nicht seine Muttersprache war; doch aufgeben war für ihn kein Thema und er versuchte es immer von Neuem. Leider hatte seine Zielstrebigkeit bislang noch nicht zu dem angestrebten Sieg geführt – eine Tatsache, die Theresa allergrößtes Vergnügen bereitete.

Trotz seiner offensichtlichen Defizite war er von dem Spiel begeistert. Manchmal konnte sie sich angesichts seiner eigenwilligen Wortschöpfungen und kreativen Rechtschreibung vor Lachen kaum halten. Auch am Schachbrett saßen sie sich als Konkurrenten gegenüber, nur traten sie hier auf Augenhöhe gegeneinander an. Es dauerte nicht lange, und Theresa ertappte sich dabei, wie sehr sie sich auf diese drei Abende in der Woche freute. Der einzige Wermutstropfen war das Wissen, dass er durch diese Hintertür erneut daran arbeitete, die Mauer, die sie um sich herum errichtet hatte, abzutragen. Die Situation erinnerte sie an einen Autounfall: Sie sah ihn kommen, wusste aber nicht, wie sie den unvermeidlichen Aufprall verhindern sollte. Dass sie sich strikt an die vereinbarte Zeit hielt, war ihr Versuch, die Kontrolle nicht gänzlich zu verlieren. Was auch immer sie gerade taten, egal ob sie mitten in einem Spiel waren oder nicht, musste nach genau zwei Stunden abgebrochen werden. Meistens machten sie beim nächsten Mal weiter, wo sie aufgehört hatten.

»Nein«, wiederholte Theresa an einem ihrer hitzigen Scrabble-Abende hartnäckig. Sie saßen auf dem Boden, das Spiel auf dem Couchtisch zwischen ihnen. »Dieses Wort gibt es nicht! Lexiquon ist kein Wort, Sandro, und das weißt du auch.«

»Natürlich ist es das«, beharrte er unbekümmert. »Du zweifelst es nur an, weil du mir die Bonuspunkte und die beiden doppelten Wortwerte nicht gönnst.«

»Das ist doch Blödsinn«, schimpfte sie. »Zweihundertfünfundsiebzig Punkte für ein Wort, das es nicht gibt? Im Leben nicht! Ich bin doch keine Wohltätigkeitsorganisation.« Als er sie lausbubenhaft angrinste, wandte sie den Blick ab, um sich nicht von seinem Charme einwickeln zu lassen. Gut gelaunt vor sich hin brummelnd gab er schließlich klein bei und nahm seine Steine vom Brett.

»Vielleicht ist es ja ein französisches Wort«, murmelte er, worauf sie nur die Augen verdrehte.

»Dann schlage ich vor, dass du es benutzt, wenn du das nächste Mal mit einem Franzosen spielst.



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